Neue biologische Medikamente für SLE – Hoffnung oder teure Arzneimittel mit wenig Nutzen?
Steffen Frese, Nov 2014
Belimumab (Benlysta®)
Belimumab (Handelsname Benlysta®) ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen das Zytokin BLyS (B-lymphocyte stimulator; Synonyme: BAFF, TALL-1; THANK) gerichtet ist. Das Zytokin ist notwendig für die Aktivierung und das Überleben von bestimmten weißen Blutzellen, die wiederum für die Produktion von Auto-Antikörpern verantwortlich gemacht werden.[1] Basierend auf den Ergebnissen einer großen klinischen (sogenannten Phase III) Studie war Belimumab das erste Medikament seit 50 Jahren, welches neu für die Behandlung von SLE durch die amerikanische FDA (Food and Drug Administration) zugelassen wurde. Die Zulassung durch die FDA erfolgte im März 2011 auf Grundlage der BLISS-52 Studie.[2] In diese Studie wurden 865 Patienten mit SLE eingeschlossen, wobei Patienten mit schwergradiger aktiver Lupusnephritis ausgenommen waren. Das Studienprotokoll sah drei Gruppen vor, denen die Patienten nach dem Zufallsprinzip zugeteilt wurden. Es gab zwei Gruppen mit unterschiedlichen Konzentrationen von Belimumab sowie eine Kontrollgruppe, welche ein Placebo erhalten hat. Die Studienmedikamente wurden parallel zur SLE-Standardmedikation (also den üblichen Immunsuppressiva) verabreicht. Als Endziel der Studie wurde die Verbesserung einer komplexen klinischen Bewertung für SLE in Woche 52 definiert. Im Ergebnis zeigte sich, dass in der Kontrollgruppe bei 44 %, in der Gruppe Belimumab 1 mg/kg bei 53 % und in der Gruppe Belimumab 10 mg/kg bei 58 % der Patienten eine Verbesserung von SLE zu verzeichnen war. Der Unterschied zwischen den Belimumab Gruppen und der Placebo Gruppe war statistisch signifikant, was zur Zulassung des Medikaments führte. Dabei zeigte die Studie aber auch, dass fast 11 Patienten mit Belimumab behandelt werden mussten, um bei einem Patienten einen positiven Effekt auf die Lupuserkrankung zu erzielen (die sogenannte Number Needed to Treat war 10.7). Die zusätzlichen Behandlungskosten belaufen sich für Belimumab auf ca. 35.000 US$ pro Patient jährlich.
Im Dezember 2011 wurden dann die Ergebnisse einer zweiten Phase III Studie zum Einsatz von Belimumab bei Lupuspatienten veröffentlicht.[3] Die sogenannte BLISS-76 Studie hatte ein ähnliches Design wie die BLISS-52 Studie. Mit dem Unterschied, dass die Patienten länger behandelt wurden und der klinische Effekt von Belimumab auf die Lupuskrankheit zusätzlich in Woche 76 analysiert wurde. Eine Verbesserung von SLE durch Belimumab war wie folgt zu verzeichnen:
Woche 52 | Woche 76 | |
---|---|---|
Belimumab 1 mg/kg | 40,6 % (p=0,089) | 38,5 % (p=0,13) |
Belimumab 10 mg/kg | 43,2 % (p=0,017) | 39,1 % (p=0,11) |
Placebo | 33,5 % | 32,4 % |
Wenn der sogenannte p-Wert größer als 0,05 ist, bedeutet das, dass kein statistisch signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe besteht (rot markiert). Das heißt, in der BLISS-76 Studie hatte Belimumab in der Konzentration 1 mg/kg keinen Effekt mehr auf den Krankheitsverlauf von SLE. Für die höhere Konzentration von Belimumab ließ sich ein Effekt nur in Woche 52 und trotz fortgesetzter Behandlung der Patienten nicht mehr in Woche 76 nachweisen.
Rituximab (MabThera®)
Rituximab (Handelsname MabThera®) ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen das Oberflächenprotein CD20 auf B-Lymphocyten gerichtet ist und dadurch nach Verabreichung zu einem Abbau dieser Blutzellen führt. Rituximab wird bisher erfolgreich bei Lymphdrüsenkrebs sowie bei schweren Verlaufsformen der Autoimmunkrankheit Rheumatoide Arthritis verwendet. Da es in der Vergangenheit zahlreiche Fallbeschreibungen zum erfolgreichen Einsatz von Rituximab bei SLE gab, sollte eine Phase III Studie zeigen, ob Rituximab einen positiven Effekt auf SLE mit Nierenbeteiligung hat. Die sogenannte LUNAR Studie (LUNAR steht für Lupus Nephritis Assessment With Rituximab) [4] rekrutierte 144 Patienten mit aktiver Lupusnephritis, die nach dem Zufallsprinzip entweder der Gruppe für Rituximab oder der Gruppe für Placebo zugeteilt wurden. Die Behandlung mit den Studienmedikamenten erfolgte parallel zu immunsuppressiven Arzneimitteln. Im Ergebnis dieses Studienprotokolls zeigte sich, dass Rituximab keinen messbaren Effekt auf den Krankheitsverlauf der Lupusnephritis hatte (p=0,55). Trotz dieser negativen Resultate wird Rituximab in der Praxis weiter breit zur Behandlung von SLE eingesetzt.
Ocrelizumab
Ocrelizumab ist ein monoklonaler Antikörper, der ähnlich wie Rituximab zu einer Zerstörung von Antikörper produzierenden B-Lymphozyten führt. Eine Phase III Studie, welche 378 Patienten mit aktiver Lupusnephritis einschloss, wurde vorzeitig aufgrund von gravierenden Infektionen in den mit Ocrelizumab behandelten Gruppen beendet. In den bis zum Studienabbruch erhobenen Daten konnte zudem kein statistisch signifikanter Behandlungsvorteil von Ocrelizumab gegenüber Placebo gezeigt werden.[5]
Atacicept
Atacicept ist ein gentechnisch hergestelltes Fusionsprotein, welches gleichzeitig die B-Lymphozyten aktivierenden Faktoren BLyS (siehe oben) und APRIL (a proliferation-inducing ligand) hemmt. Versprochen hatte man sich von diesem neuen biologischen Medikament bessere Effekte als durch die Hemmung von BLyS allein mittels Belimumab (siehe oben). In einer Phase III Studie wurden 455 Patienten mit SLE eingeschlossen. Patienten mit aktiver Lupusnephritis wurden nicht in die Studie aufgenommen. Im Verlauf der Studie musste dann die Gruppe, welche eine höhere Dosis von Atacicept verabreicht bekam, vorzeitig aufgrund schwerer Nebenwirkungen (Lungenentzündung mit Lungenblutung bei 2 Patienten) abgebrochen werden. Im Gegensatz dazu verursachte eine tiefere Dosis von Atacicept keine solchen Nebenwirkungen, hier erbrachte das Medikament im Vergleich zu Placebo jedoch keinen Behandlungsvorteil für die Patienten.[6]
Abatacept (Orencia®)
Abatacept ist ein Fusionsprotein, welches unter anderem aus dem Protein CTLA-4 besteht und über den sogenannten CD28-CD80/86 Signalweg die Aktivierung von co-stimulierenden T-Lymphozyten verhindern kann. Abatacept ist derzeit zugelassen zur Behandlung der Autoimmunkrankheiten Rheumatoide Arthritis und Polyartikulären Juvenilen Idiopathischen Arthritis für den Fall, dass andere Behandlungsoptionen versagt haben. In einer ersten Phase IIb Studie mit 175 Patienten, die an einer weniger schweren Verlaufsform von SLE litten (Patienten mit Lupusnephritis waren von dieser Studie ausgeschlossen) erbrachte die Verabreichung von Abatacept keinen statistisch signifikanten Behandlungserfolg.[7] Eine darauf folgende Phase III Studie, die 298 Patienten mit aktiver Lupusnephritis in Kombination mit immunsuppressiven Steroiden und Mycophenolat-Mofetil behandelte, erreichte ebenfalls nicht das Studienziel einer Verbesserung bestehender Lupusnephritis durch Abatacept.[8] In einer weiteren Phase III Studie, die 134 Patienten mit aktiver Lupusnephritis einschloss, wurde Abatacept in Kombination mit den immunsuppressiven Medikamenten Cyclophosphamid bzw. Azathioprin und Steroiden verabreicht. Auch hier erbrachte die Gabe von Abatacept keinen nachweisbaren Vorteil für die Behandlung der Lupusnephritis.[9]
- ↑ Mackay, F. & Browning, J.L. BAFF: a fundamental survival factor for B cells. Nature reviews. Immunology 2, 465-475 (2002).
- ↑ Navarra, S.V., et al. Efficacy and safety of belimumab in patients with active systemic lupus erythematosus: a randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 377, 721-731 (2011).
- ↑ Furie, R., et al. A phase III, randomized, placebo-controlled study of belimumab, a monoclonal antibody that inhibits B lymphocyte stimulator, in patients with systemic lupus erythematosus. Arthritis Rheum 63, 3918-3930 (2011).
- ↑ Rovin, B.H., et al. Efficacy and safety of rituximab in patients with active proliferative lupus nephritis: the Lupus Nephritis Assessment with Rituximab study. Arthritis Rheum 64, 1215-1226 (2012).
- ↑ Mysler, E.F., et al. Efficacy and Safety of Ocrelizumab in Active Proliferative Lupus Nephritis: Results from the Randomized, Double-Blind Phase III BELONG Study. Arthritis Rheum (2013).
- ↑ Isenberg, D., et al. Efficacy and safety of atacicept for prevention of flares in patients with moderate-to-severe systemic lupus erythematosus (SLE): 52-week data (APRIL-SLE randomised trial). Ann Rheum Dis (2014).
- ↑ Merrill, J.T., et al. The efficacy and safety of abatacept in patients with non-life-threatening manifestations of systemic lupus erythematosus: results of a twelve-month, multicenter, exploratory, phase IIb, randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Arthritis Rheum 62, 3077-3087 (2010).
- ↑ Furie, R., et al. Efficacy and safety of abatacept in lupus nephritis: a twelve-month, randomized, double-blind study. Arthritis Rheumatol 66, 379-389 (2014).
- ↑ Treatment of lupus nephritis with abatacept: the abatacept and cyclophosphamide combination efficacy and safety study. Arthritis Rheumatol 66, 3096-3104 (2014).